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Andreas Steffens
In den Bordellen der Schaulust
Ausstellungsnotizen

Heftbroschur mit Schutzumschlag
52 S., 2010, handgeheftet, EUR 6,50
ISBN 978-3-935421-59-1

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In den Museen tragen die Bilder Trauer. In Ausstellungen jedweder Art wollen sie vor Scham vergehen, jedem Blick schutzlos ausgesetzt. Der Blick, der erkennt, wird Anschauung. Die Anschauung realisiert die Würde der Bilder. Schweigend ausgesprochen, wird Gesehenes Schrift. Die Schrift hält fest, woran das Auge sich erinnern will.
Die Sammlung von Ausstellungsnotizen aus zwanzig Jahren ist ein Vademecum für den Ausstellungsbesucher, der nicht nur sehen, sondern auch erfahren will, was er sieht.









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Georges de la Tour

›Repräsentation‹ hat es als inneren eigenen Antrieb der Malerei vor dem 19. Jahrhundert und dessen Apotheose des bürgerlichen Interieurs nicht gegeben.

*

Seine Menschen sind keine Menschen; es sind Puppen im reinen Lichtspiel der Farben, das sich rasch als privater Manierismus eines Licht-Besessenen erweist.

*

Hier nimmt der Schein Züge einer vorgetäuschten Vortäuschung an.

*

Seinen Figuren fehlt das Inkarnat. Es sind glatte Abstraktionen.

*

So gewinnt man den Eindruck, daß es sich gar nicht um Malereien handelt sondern viel eher um gemalte Variationen über eine Licht-Vision. Diese hat allerdings mehr dekorative als mystische Züge.

*

Es ist eine flache Malerei, deren Licht-Spiele eine stumpfe Brillianz ohne Tiefe erzeugen. Hier kommt es zu dem Paradox, daß Teer zu leuchten scheint. Aber die Farbe bleibt Kleister, braune Masse, die durch die Licht-Spiele nicht subtil wird. Teer wird blenderisch.

*

Die immerhin gut gemalten Kopien offenbaren erschreckend deutlich den Charakter der Originale: Oberflächenmalerei, die sich nur die Effekte der Farbe zunutze macht, für die Farbe selbst aber gleichgültig bleibt. Man gewinnt den Eindruck, vollendete Modelle der besten denkbaren Plakatmalerei zu sehen. Pure Blendung; aber, anders als bei der Plakatmalerei, bleibt sie leer, weil sie keine Funktion hat, denn sie enthält keinerlei Information.

*

Zurück bleibt der sehr starke, Ärger weckende Eindruck einer entmutigenden Leere.
Grand Palais, Paris, Januar 1998

Cranach

Cranachs erschreckendes Melanchthon-Portrait hält dem Betrachter eine historische Offenbarung bereit – : bei der Herstellung von Vernunft kann es nicht immer vernünftig zugehen.
Das Portrait des Humanisten gäbe kein Modell ab für eines des idealen, oder doch besseren Menschen, dem er vorausdenkt. Man glaubt, in das Gesicht eines entrückten Narren, eines alt gewordenen Dorftrottels zu schauen, der den Bezug zu der ihn umgebenden Welt ganz verloren hat und sich in seinen Phantastereien ergeht, sich auf seinen ziellosen Wegen durchs Dorf den Spott der ihm lärmend folgenden Kinder mit der Freundlichkeit dessen gefallen lassend, den nichts mehr etwas angeht.
Städel-Museum Frankfurt/Main, Juni 1985


Raffael – Boticelli

Bei den historisierenden Bildern gehört zu dem, was man die ästhetischen Überschußkriterien nennen könnte, eine Art scheinbarer Anwesenheit künftiger Geschichte in ihnen, als wäre sie aus bewußtloser Vorhersicht Teil ihrer Komposition.
In Raffaels Darstellung der Disputation des Augustinus mit dem Häretiker Fortunatus sind die Menschen auf eine art plaziert, die sie zu Bestandteilen der sie umgebenden Architektur macht. Bereits an ihrem Anfang gibt es eine Ahnung des Umschlags, der dem Verlauf der neueren europäischen Geschichte das Epochale eines Fortschritts einprägen wird, dessen Entfaltung sein Ziel zerstört, indem er es erstrebt: mit der Erstarrung der Erscheinung des Menschen zu einer kompositorischen Funktion in einem ›humanistischen‹ Bild ist der sich selbst entdeckende Mensch bereits nur noch das funktionale Teil der Ordnung der Welt, das er in der sein wird, in die er sie bringen wird, um seine Existenz zu entfalten.

*

Boticelli hat bereits ein Gesicht dieses Menschen gemalt.
Das ›Idealbildnis der Simonetta Vespucci‹ ist kein Portrait, ihm fehlt das Inkarnat. Statt des Gesichts eines Menschen zeigt es das einer gemalten Skulptur.
Das Ideal des Neuen Menschen – er wird zu der toten Natur werden, aus der er seine neuen, steinernen Lebenswelten errichtet. Die Freiheit der Stadt, mit der die Neuzeit beginnt, die die Zeit des Bürgers auch noch nach dessen Verschwinden bleiben wird, da die Verhältnisse, die er schuf, seine Sache ohne ihn noch besser betreiben, ist die Freiheit zum Selbstverlust. Die ›idealen‹ Menschen sind gar keine.
Ob Boticelli das hat ›zeigen‹ wollen – wenn er es so schon hat empfinden können? Oder zeigt es sich nur in seinem Bild? Oder sieht man es, mit so viel historischem Wissen so viel später, hinein?
Gleichviel. Er hat seiner Zeit des Aufbruchs, als die sie sich schon verstand, und nicht erst später wahrgenommen wurde, ein unvergleichliches Respice Finem gemalt.
Städel-Museum Frankfurt/Main, Juni 1985


Bonnard

Der erste Eindruck ist der einer sanften Härte. Das Paradox ist Medium seiner Kunst. Jedes Bild wirkt unfertig, falsch und doch ›wahr‹.

*

Eine eigentümliche Genialität der Unbeholfenheit stiftet Vollkommenheit des Unfertigen. Diese Bilder wären unfertig, wären sie fertig.

*

Denn es sind keine Bilder von etwas, sondern Bilder von Bildern, reine Bilder. Das vom Maler Gesehene, das sie inspirierte, enthält die Anschaulichmachung von etwas auf der Leinwand mit Hilfe von Farben gerade vor, indem sie kaum auch nur bildliche Stellvertreter von Partikeln der Wahrnehmung in der Anordnung der Farben zueinander andeuten. Wer die Landschaft sieht, die die Bilder scheinbar zeigen, sieht nicht, was auf den Bildern zu sehen ist: gemalte Skizzen der Eindrücke von Gesehenem.

*

Dort, wo sie am ›realistischsten‹ wird, ist diese Malerei am uneigentlichsten.

*

Die Komplexion der Uneinheitlichkeit der Malweisen in ein und demselben Bild verdichtet das Farbspiel in listiger Naivität zur perfekten Illusion: der Illusion der Illusion.
Sichtbar wird die Vorstellung einer Vorstellung. Die geradezu unbeholfene thematische Beschränkung der Darstellung auf Sichtbarkeit zeigt im Verzicht auf jede Illusion von Veranschaulichung des Gesehenen präzise, was gesehen werden kann.

*

Das Ganze ist die Komplexion von Momenten der Einzelwahrnehmung.

*

Was man auf diesen Bildern sieht, sieht man, wie man es sieht, nicht, wie es ist.
Städel-Museum, Frankfurt am Main, Juni 1985

Eigentlich hat Bonnard nur zwei Farben: Gelb und Orange. Dazu gesellen sich: Rosa, Violett, Türkis.

*

In der Tendenz wird bei ihm alles rund. Ellipsen.

*

Seine Formen: verzogene Rundungen; Abarten des Kreises. Eine Malerei aus den erotischen Suggestionen des weiblichen Körpers.

*

»Paysage du Cannet au toit rouge« (1945/46): In diesem Bild sind bereits alle späteren Formationen und Farbbehandlungen der ›abstrakten Malerei‹ enthalten; de Staël, die amerikanischen abstrakten Expressionisten, Viera da Silva.

*

»Nu orange« (1940): Alle Konturen, alle Gegenstände sind aufgelöst. Die beiden Markierungen der Brust des ansonsten völlig aufgelösten Halbaktes wirken falsch, aufgesetzt; sie verwunden den Blick.
Die Kugeln in verschiedenen Orange-Abstufungen sind bereits E.W. Nays spätere Farbkugel-Bilder in nuce.

*

Genau hinsehen, und das Gesehene vergessen – einer der unterschätzten, doch wesentlichen Motoren der ›Kunstgeschichte‹. Originell wird, wer Gesehenes, das er vergaß, auf eigene Art erfinden kann.
Musée Maillol/Fondation Diane Verny,
Paris, August 2000







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