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Andreas Steffens
Jedermanns Exil
Die Daseinsfigur des Vertriebenen

2012, 6,50 Euro
Die Besonderen Hefte
Heftbroschur mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-935421-82-9


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Über den Verlust des angestammten Ortes«
Das zwanzigste Jahrhundert vertrieb ›den‹ Menschen aus der Geschichte ins Exil der Weltlosigkeit. Überall in der Welt ist für Menschen Heimat; aber nicht überall kann für jeden Heimat sein. Es ist diese Erfahrung des Exilierten, Heimat nur dort zu haben, wo er nicht mehr sein kann, was der Welt den Charakter der Heimat nimmt. Sein Schicksal wird zur Spur der elementaren Bedingungen menschlichen Daseins: Menschen haben überall Welt; aber nicht überall ist sie Welt für einen. Wenn der Verlust des angestammten Ortes in ihr eine das gesamte Leben ergreifende Daseinspanik wecken kann, kann die Welt nicht schlechthin des Menschen Welt sein. Exil ist der Rückfall in Urzuständlichkeit vor der Kultivierung der Welt. Darin liegt sein überwältigender Schrecken. Die beiden Studien erproben diesen Grundgedanken der ›Ontoanthropologie‹ anhand literarischer Zeugnisse des Exils.











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Vorweg


Zwei Jahrhunderte lang vertraute Europa auf die Geschichte als Bestimmung des Menschen. In ihr sollte er seine Selbsterfüllung finden. Und wurde von einer Geschichte der Unmenschlichkeit überwältigt, die die Selbstverständlichkeit, ein Mensch zu sein, zerstörte. Die Frage: Was ist der Mensch?, in deren Beantwortung Kant noch zuversichtlich die Vollendung aller Anstrengungen der Philosophie sehen konnte, stellt sich seitdem aufs neue, in entmutigender Offenheit.
Zu den Elementarbedingungen unseres Daseins gibt es keinen direkten Zugang, weder der Erkenntnis, noch des Lebens selbst, das immer schon geführt worden sein muss, um es aus der Distanz der Reflexion wahrnehmen zu können. Wenn philosophisches Denken, wie Adorno es in seiner »Negativen Dialektik« dargelegt hat, ein Denken in Modellen ist, so gilt dies für jede anthropologische Nachdenklichkeit nach der Implosion des Humanismus ganz besonders. Derartige anthropologische Modelle sind Daseinsfiguren, »Vexierbilder des Menschen«, wie Dolf Sternberger sie nannte: Repräsentanten des Daseins, in denen Eigenschaften sich verkörpern, die ein Lebewesen als Menschen identifizierbar machen: der Bauer, der Händler, der Krieger, der Heilige, der Künstler.
Ein derartiges anthropologisches ›Modell‹ ist auch die Daseinsfigur des ›Vertriebenen‹.
Das zwanzigste Jahrhundert vertrieb ›den‹ Menschen aus der Geschichte ins Exil der Weltlosigkeit. In diesem Jahrhundert ist das Exil selbst zum Emblem geworden, gleichgültig ob es jemand in seinem eigenen Land, seinem Zimmer und seiner Sprache erfährt oder außerhalb und weit weg. Ungeachtet der Geschichte und Geographie ist der Moment, den wir erleben, konvulsivisch. Wir sind alle im Exil, schrieb Norman Manea während des welthistorischen Umbruchs nach 1989 (Manea, Exil, 185).
Dies ist keine fragwürdige Verallgemeinerung der – eigenen – Erfahrung aller wirklichen Schriftsteller, in denen er ewige Exilierte in dieser Welt sah, auch wenn sie, wie Proust, ihre rettende Klause kaum verlassen (a.a.O., 185 f.). Dass die Existenz des Künstlers überhaupt ›diasporistisch‹ ist, wie Ronald Brooks Kitaj es in einem vergessenen ›Manifest‹ darlegte, ist kein nur politischer oder soziologischer Befund, sondern ein anthropologisches Symptom, sofern gilt, dass die Existenz des Künstlers eine exemplarisch menschliche ist (Steffens, Anthropoästhetk).
Das vergangene Jahrhundert machte den Vertriebenen noch einmal zur exemplarischen Figur des Menschseins: Er erfährt, was jedermanns Dasein bedroht. Mit seiner Geschichte wird das Exil zur Bestimmung der Welt. Sie, die bestimmt, was wir sind, womit sie festlegt, was wir, und wie wir sein könnten, was wir sein wollen, hat in ihrem absoluten Sein, dem das Menschsein sich in ihr ausgesetzt erfährt, die Struktur des ›Exils‹.
In der Perspektive der ›Ontoanthropologie‹, die die Fremde als elementare Qualität der Welt für den Menschen ins Zentrum einer Re-Konstruktion anthropologischer Nachdenklichkeit nach dem Ende des Humanismus rückt (Steffens, Ontoanthropologie, 95-105; 201- 210), ist der Vertriebene die Urgestalt des Menschen. Deshalb lässt sich an der Veränderung, der das Exil die Menschen unterwirft, die es erleben müssen, die aus ihnen radikal andere Arten von menschlichen Wesen macht, wie Salman Rushdie feststellte (zit. n. Sabin, Exil, 41), ablesen, was zur Bestimmung des Menschseins überhaupt gehört.
Überall in der Welt ist für Menschen Heimat; aber nicht überall kann für jeden Heimat sein. Es ist diese Erfahrung des Exilierten, Heimat nur dort zu haben, wo er nicht mehr sein kann, was der Welt den Charakter der Heimat nimmt. Sein Schicksal wird zur Spur der elementaren Bedingungen menschlichen Daseins: Menschen haben überall Welt; aber nicht überall ist sie Welt für einen. Wenn der Verlust des angestammten Ortes in ihr eine das gesamte Leben ergreifende Daseinspanik wecken kann, kann die Welt nicht schlechthin des Menschen Welt sein.
Wäre die Welt überall Welt des Menschen, könnte die Erfahrung der Vertreibung kein solcher Schrecken sein, man lebte nur woanders weiter wie überall. Nicht dort leben zu können, wo man sich in dem lebensermöglichenden Einklang mit der Welt fühlt, der Heimat stiftet, belegt, dass die Welt nicht Heimat des Menschen ist, sondern jedes Stück Heimat in ihr die Ausnahme von der Regel allgegenwärtiger Fremdheit. Heimat ist Menschenwerk gegen die Welt ebenso wie die Vertreibung aus ihr. Exil ist der Rückfall in Urzuständlichkeit vor der Kultivierung der Welt. Darin liegt sein überwältigender Schrecken.

Die beiden Studien erproben diesen Grundgedanken der ›Ontoanthropologie‹ anhand literarischer Zeugnisse des Exils.
Keine Philosophie ohne Literatur. Keine Erkenntnis des Menschseins ohne die Zeugnisse seiner Erfahrung. Die Dinge, von denen niemand etwas weiß und die keine Spuren hinterlassen, existieren nicht (Svevo, Zeno, 151). So gewiß, dass alle Machthaber aller Zeiten zuerst die Literaten zum Schweigen bringen, die ihre Untaten festschreiben könnten.
Die Erfahrung der Geschichte des 20. Jahrhunderts wäre für ein zeitgenössisches Bewusstsein des Menschseins längst verloren, in den Abhandlungen der Historiker verschwunden, wie die Kunst des Mittelalters für ein Jahrtausend in seinen Büchern verborgen lag, gäbe es ihre literarischen Zeugnisse nicht. Mögen die Archive noch so angefüllt sein mit Dokumenten der Ereignisse, aus denen Erinnerung sich Geschichte konstruiert, sie wären nichts als Fülle der Leere, gäbe es nicht die Beschreibungen der Literatur, die bezeugen, wie erlebt wurde, was sie dokumentieren. Es sind die ›geretteten Bücher‹, die das Geschehene wissen lassen. Ohne die Aufzeichnungen Simcha Gutermans, ohne die Berichte Primo Levis, ohne die Erzählungen Tadeusz Borowskis gäbe es kein lebendiges Verständnis des historischen Wissens, das zu einer neuen Anthropologie nötigt.
Die Daseinsfigur des Vertriebenen trägt zu ihrer Grundlegung bei.






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