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Otto, Hans-Werner:
Mit dem Kofferradio in der Mählersbeck
Drei Geschichten.
vergriffen

Das Buch ist leider vergriffen!

Erzählungen von Hans Werner Otto finden Sie hier:

BoD



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Leseprobe

»Er hat mal gehört, dass der Zweite Weltkrieg mitten im Sommer ausgebrochen ist. Die Leute waren alle im Freibad und erfuhren plötzlich, dass es losging. Daran hat er denken müssen, als er auf einer Decke in der Mählersbeek lag: Die Welt geht unter, und du hast nur ne Badehose an.«

In einer wunderbar leichten Sprache beschreibt der Wuppertaler Hans-Werner Otto das Heranwachsen in einer deutschen Stadt in den sechziger Jahren. In diesen Geschichten findet sich jene seltene Begabung des Erinnerns: die gelungene Mischung aus Heiterkeit und Melancholie.
Eine Geschichte um Hoffnung, Verlust und Schuld, geschrieben mit melancholischer Leichtigkeit.





Leseprobe:


NEGERBUSCH


Kurz bevor der Mensch das Sprechen lernte, vertraute ihm Gott das Geheimnis um Leben und Tod an. Aber er versiegelte es sofort wieder: Er legte dem Menschen seinen rechten Zeigefinger auf den Mund und bedeutete ihm damit, über das Gehörte zu schweigen. Der Mensch vergaß das ihm Anvertraute, und nur noch die Furche zwischen Nase und Oberlippe, in der Gottes Zeigefinger geruht hatte, erinnert ihn daran, daß er einmal alles gewußt hat.

Bei den alten Völkern Afrikas und Amerikas gab es, gibt es Tabu-Gebiete. Landstriche, Berge, Wälder, Flußtäler, in denen die Ahnen ungestört weiterexistieren. Geister, die uns Lebende in ihrer Gegenwart nicht dulden, kosten dort von dem Geheimnis um Leben und Tod, dem Menschen unzugänglich. Nur der Priester scheint das Gebiet betreten zu haben, wenn er nach einem Monat plötzlichen Verschwundenseins ins Dorf zurückkehrt und die alte Kraft des Heilens wiedererlangt hat.
Offenbar kennen wir heute das Geheimnis um Leben und Tod. Denn die Tabu-Gebiete, so erklären wir es uns, sind Gen-Pools: Tier- und Pflanzenarten können sich, vom Menschen nicht beeinträchtigt, niederlassen, vermehren, weiterentwickeln; von der Ausrottung bedrohte Arten entfalten hier ihre Schönheit und gehen uns so nicht verloren. Wir sind aufgeklärt, die Welt ist entmystifiziert, und aus dem Geheimnis ist ein Nationalpark geworden. Betreten verboten. (Mit dem Wagen kann man schon mal durch. Aber man sollte die Fenster hochkurbeln.)
Der Teil der Stadt, der nicht im Grund des langgezogenen Tals der Wupper steckengeblieben ist, klebt auf kleinen, lichten Bergrücken oder ist in die dunklen Sohlen der Seitentäler gerutscht. An manchen Stellen, über denen sich Häuser in die Talsohlen zu stürzen scheinen, ist das Gelände zu abschüssig, als daß es sich unter der Hand erfindungsreicher Stadtplaner und Architekten in Baugründe verwandeln ließe. Gottlob, solche Stellen gibt's. Betreten verboten, Eltern haften für ihre Kinder.
Ich war drei Jahre alt, als wir innerhalb Barmens umzogen. Die Gernotstraße, es gab einen Lebensmittelladen und eine Heißmangel, ein paar schnell hochgezogene Häuser und neben unzerstörten alten Häusern seltsam unordentliche Lücken, wie fehlende Zähne im Gebiß: Trümmer.
Für mich damals nicht die traurige Hinterlassenschaft einer schwarz-weißen Vor-Zeit, sondern ein buntes Freilichttheater mit Ballonrollerrennen und Lederstrümpfen. Ziegel von zerbombten Häusern, die Menschenkadaver begraben hatten, wurden Bausteine zu dunklen Buden, in denen wir sichtgeschützt Kastanienblätter aus Weckmannspfeifen zu rauchen versuchten. Ebensolche Ziegel verwendete mein Vater, der Maurer, um damit am hastigen Wiederaufbau der Fünfziger Jahre mitzuarbeiten.
Häuser wuchsen drei, vier Stockwerke hoch, nicht in den Himmel: Der graue Putz hielt sie fest am Boden. Die Baustellen waren die nächsten Spielplätze: Wer vom zweiten Stock in den Sandhaufen sprang, gehörte zu den Gewinnern des Tages.
"Eltern haften für ihre Kinder" stand auf den Verbotsschildern. Was hieß das anders, als daß man unsere Eltern verhaften und einsperren würde, sollte man uns auf der Baustelle erwischen? Das wollten wir nicht. Wir sprangen trotzdem weiter in den Sandhaufen. Mein Vater, der Maurer, kehrte den von meiner Generation verstreuten, in alle Richtungen verteilten Sand wieder zu dem ordentlichen Haufen zusammen, als den er ihn am Vortag bei Feierabend verlassen hatte. An meinen Händen sah er abends, wo ich trotz angedrohter Elternhaftung gespielt hatte: Zement macht rauhe Haut.
Als alle Baustellen behaust, bewohnt waren, gab es immer noch den Negerbusch.
Vom Negerbusch hörte ich von dem Moment an, als meine Eltern mich allein auf die Straße ließen. Während ich mit Gleichaltrigen Trümmerziegel zu Budenwänden aufschichtete, während wir von der Mitte der Gernotstraße aus Bälle gegen blecherne Garagentore schossen, daß es dröhnte, während wir Rollerrennen veranstalteten und dann auch die ersten vorsichtigen Schritte in die von den Handwerkern endlich verlassenen Baustellen setzten, geisterte der Negerbusch schon durch meinen winzigen Wortschatz. Lange Zeit war nicht zu klären gewesen, ob es dort wirkliche, schwarze, nackte Neger gab, in diesem Wildgelände zwischen Gernot- und Germanenstraße.
Ich fuhr oft mit meinem Ballonroller bis ans Ende unserer Straße, von wo aus ich das Tal überblicken konnte: Die Schornsteine des Kraftwerkes am Cleff, die Silhouette der fahrenden, quietschenden Schwebebahn, wenn sie sich vor dem großen, grün leuchtendem Fenster der Adler-Brauerei abzeichnete, die Zwiebel auf dem Wupperfelder Kirchturm. Und, direkt zu meinen Füßen, von der Gernotstraße aus begehbar, das abschüssige Gelände der Kleingartenanlage. Dahinter ragten ein paar Bäume hoch - und das sei der Negerbusch, wurde mir gesagt. Da die Zäune der Kleingartenanlage dicht und viel zu hoch waren, gab es von der Gernotstraße aus nur eine Möglichkeit des Zugangs: man mußte durch die der Germanenstraße zugewandten Häuser und deren Hinterhöfe schlüpfen. Ich stand da, einen Fuß auf dem Roller, blickte hinunter und meinte die dumpfen Trommeln zu hören. Ich traute mich lange nicht dort hin - die größeren Kinder hüteten das Geheimnis, machten uns Angst,  nach dem Muster der Erwachsenen.




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