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Kraus, Peter J.:
Blues & Pistolen
Kriminelle Geschichten

Mit Umschlagillustrationen von Eva Gau
Heftbroschur mit Schutzumschlag
2013, Fadenheftung,
48 S.; EUR 6,50;
Die besonderen Hefte
ISBN 978-3-935421-40-9


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Drei kriminelle Geschichten, die mit leichtem Schwung und böser Phantasie überzeugen.

Der alte Mann, ein Lakota-Indianer, gelangte vom Reservat ohne Umweg nach Vietnam. Und von der Straße nach St. Quentin und von dort auf die großen Bühnen der Rockmusik und in die Drogen. Aber er weiß einen Weg in die Freiheit …Auch das Ehepaar weiß einen Weg in die Freiheit. Nur muss dazu der Ehegatte erst einmal sterben. Aber wer tut das schon freiwillig …Gerry, der Rockmusiker findet beim Pinkeln eine Leiche. Dadurch aber auch eine Frau, die sein Leben verändern wird. Allerdings nicht so, wie es sich für eine richtige Liebe gehört ...


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Leseprobe




Hoka Hey: Es geht immer weiter


Der sanfte Wind, der bei Sonnenuntergang überm Meer aufkommt und die braune Großstadtluft in die Wüste treibt, strich durch die Adlerfedern seines Kriegsschmucks und fächerte die Blätter des aufgeschlagenen Notizblocks. Er schaute über die Stadt, die sich nach einem langen, profitablen Tag auf den Schichtwechsel vorbereitete. Der Hollywood Freeway war abgasspeiend verstopft, der Verkehr auf den Gegenfahrbahnen bewegte sich schleppend, aber er bewegte sich. Eine weiße Schlange neben einer roten Schlange. Irgendwo in den Überlieferungen war etwas mit weißen und roten Schlangen. Weiß der Teufel. Er griff neben seinen Stuhl, fand die Flasche und trank. Halbleer, dachte er als er sie absetzte. Nicht halbvoll. Halbleer.
Halb acht. Das Konzert begann in dreißig Minuten. Ab und zu hatte er über die Brüstung geschaut, befürchtet, daß ihn heute sein Glück im Stich läßt, daß ihn die Männer heute finden würden.
Vor der Abendkasse stand noch immer eine Schlange. Er würde die üblichen zwanzig Minuten Verspätung einhalten, vielleicht sogar etwas länger, und sein Programm entsprechend zusammenstreichen. Lust hatte er schon lange nicht mehr, arbeitete nur, weil es von ihm verlangt wurde und weil er sich von niemandem verstecken würde.
Er war nicht mehr der Vierzigjährige, der voller Elan auch vor halbleeren Sälen seine Schau abzog, weil jeder Zuhörer zählte, weil jedes der bleichen Gesichter hinterm Rampenlicht demjenigen gehören könnte, der seine Wahrheit glauben würde. Es waren zuviele Jahre vergangen, er hatte auf zu vielen Bühnen gesessen, hatte zu oft im Applaus vergeblich auf den gehorcht, der von Herzen kam. Er war schon allzulange der Geschmack des Monats, der In-Indianer, eine unwichtige Seite im Hochglanzleben gutverdienender Gutmenschen.
Der ausgemergelte alte Mann stand auf, streckte die Glieder und schlenderte zur Ostseite des Daches. Vor ihm leuchteten die schiefen Zähne des Hollywoodschildes im weißkalten Scheinwerferlicht, hinter Mount Lee waberte der bunte Heiligenschein Burbanks. Instinktiv duckte er sich als ein verdunkelter Hubschrauber tief vorüberflog, das Wappen des Los Angeles Police Department an seiner Flanke, Kameras und Lautsprecher unterm Bauch. Noch immer Reisfeld-Paranoia, dachte er, noch immer bedeuten Hubschrauber Blut und heißes Blei. Ah, fuck it.
Er war erst sechzehn, als er auf dem Militärflugplatz Tan Son Nhut stand und nicht fassen konnte, welch schwüle Hitze ihn umgab. Vollbepackt mit Kriegsnotwendigem, ein Rucksack, der fast soviel wog wie er. Im Rekrutierungsbüro hatte er herzklopfend-achtlos seine Volljährigkeit mit dem gefälschten Führerschein belegt und der Stoppelkopf hinterm olivgrünen Schreibtisch hatte ihn wissend angegrinst. Früher hatten sie sich älter gemacht um Schnaps zu kaufen, heute um dem Elend zu entfliehen. Der Indianer schüttelte den Kopf, als er daran dachte. Mann! Vom Reservat ohne Umweg nach Vietnam. Von der Bratpfanne ins Feuer.
Er hatte beschlossen sich an seinem achtzehnten Geburtstag zu erschießen, aber am Abend zuvor trat das Schicksal in der Person eines dicklichen Majors dazwischen. Bei Freunden war er, hatte zuviel getrunken und den Major übersehen, der unvermittelt vor seinem Jeep auftauchte. Bei der Einlieferung nahm man ihm Gürtel und Schnürsenkel weg. Er feierte also bei bester Gesundheit seinen Todestag, nur mit einem orangefarbenen Gefängnis-Overall bekleidet.
Als er in San Francisco ausmusterte waren die Arme voller Tätowierungen und der Bauch voller Haß. Drei Jahre war der verdammte Krieg schon zu Ende und erst jetzt ließen sie ihn laufen. Er besorgte sich eine Koje bei einem Stammesbruder, ließ sich von ihm überreden und stand um Mitternacht vor einem toten Vietnamesen, der den Abend als Schnapsladenbesitzer begonnen hatte. Die Kasse gab knappe siebzig Dollar her, die Fahndung dauerte weniger als einen Tag, der Aufenthalt im Zuchthaus San Quentin dreizehn Jahre. Sie erzählten, daß man von manchen Zellen einen Teil der Bucht und die Skyline San Franciscos sah, aber er wurde in einem der unteren Trakte verwahrt. Einzelhaft, wegen Aufsässigkeit. Eine Leuchstoffröhre im Gang spendete gelegentlich bläuliches Licht.
Der Indianer lachte. Die Idioten hatten gedacht, sie könnten ihn kleinkriegen. Er konzentrierte sich von vornherein auf das Entlassungsdatum, verbrachte die Tage mit Erinnerungen, erlebte wieder und wieder seine Kindheit. Sein Körper war in der Zelle, doch er war bei seinem Stamm, seiner Familie, seiner Gruppe. Die Lakota waren seit einem Jahrhundert besiegt, aber sie waren noch immer frei. Sie hatten sich den Weißaugen nie gebeugt. Er hatte die Rituale gepflegt, hatte sich mit den Vorfahren in der Stammessprache unterhalten und ihr Lob gesungen, hatte den Göttern so gedient, wie es sich für einen Krieger gehörte, und war dem Schicksal dankbar, daß er seinem Volk nützlich sein durfte. Bei der Stunde Hofgang, die sie ihm jede Woche gewährten, hatte er Wind, Himmel und Sonne begrüßt, hatte sich gelegentlich bücken und eine Fingerspitze harter, trockener Erde aufnehmen können. Er nahm alles mit in die Zelle, schmuggelte das Gesicht der Sonne und das Pfeifen des Windes mit in seine Gruft, das strahlende Blau des endlosen Präriehimmels behielt er und den guten Geruch der Erde, den Geruch nach Prärie und Pferdehufen, nach dem Rauch winterlicher Dörfer und wildwuchernder Schlachtfelder. Die Grabeskälte gerbte ihn, die Dunkelheit ließ ihn klarer sehen, die Einsamkeit half ihm, Wichtiges von Nichtigem zu trennen.
Als sie ihm eine Fahrkarte ins Reservat aushändigten, zwanzig Dollar und einen gestifteten braunen Wollanzug, da fuhr er nach South Dakota, grub sich eine Wohnhöhle in der Steppe, deckte sie mit einer ölstinkenden Panzerplane ab und lebte wortkarg im Kreis seiner Brüder. Jemand schenkte ihm eine alte Gitarre, er schrieb Zeilen und Absätze, Seiten und Kapitel. Vertonte alles, sang seine Gedanken zu einfachen Melodien, sang in seiner Stammessprache, der Sprache, die trotz Verbot und Strafandrohung gesprochen wurde, ein Stakkato, dessen jede Silbe eine Sache beschrieb, ein Objekt benannte, einen Zustand, eine Furcht oder Hoffnung. Doch außer einigen alten Sioux interessierte sich niemand für seine Sprache. So war es gut.
Der berühmte Mann aus Malibu tauchte eines Tages bei ihm im Reservat auf, stellte sich so höflich wie unnötig vor und bat ihn, seine Geschichten vorzutragen. Warum nicht? Er hatte nichts besseres vor. Also ging er mit dem berühmten Mann in die Badlands, setzte sich mit ihm auf eine der bunten Sandsteinklippen, trank den Besucherwhiskey und rauchte ein wenig, denn ohne Rauchen kann man nicht singen, und sang seine Lieder. Der Mann hörte die Worte, aber er verstand sie nicht. Selbst die in seiner eigenen Sprache verstand er nicht.
Wenig später saß er im Studio des berühmten Mannes und nahm die Lieder auf. Solo. Der Produzent des Berühmten legte noch ein bißchen Indianertrommel hinter seine Gitarre und seinen Gesang, fädelte hier und dort Knochenpfeife und Gruppengesang ein und ließ ihn nach einer Weile wissen, daß er ein hübsches Guthaben abholen könne.
Der kleine, gegerbte Lakotakrieger schaute nochmal vorsichtig über die Brüstung. Da standen sie, Kreditkarten gezückt, Frauen lachten schrill, Männer brüsteten sich. Gegenüber wuchs das Gebäude der Musikfirma aus dem Hollywooder Asphalt wie ein penibel gestapelter Pfannkuchenturm, dahinter die blau flackernden Wohnzimmer der Hollywood Hills. Busladungen ausländischer Touristen fotografierten die grellen Neonreklamen, die suchenden Flakscheinwerfer und die traurigen Kinderhuren des Hollywood Boulevard. Er war schon lange nicht mehr hier oben gewesen, obwohl er ein paar Straßen weiter ein kleines, stuckverziertes Haus mit einem Garten und einer Freundin besaß. Meist verbrachte er die Zeit in seinem Zimmer an der Third Street, im Hinterhaus eines heruntergekommenen Hotels. Da kannte ihn niemand, da konnte er anonym sein. Im dritten Stockwerk wohnte er, über einem Innenhof der nach Abfall stank und der wie ein Schornstein Streit, Hundegebell und klatschende Schläge ins All spülte. Schon lange hatte er nichts Neues mehr geschrieben, schon ewig keine frischen Songs aufgenommen. Ihm fiel nichts mehr ein. Er war ausgebrannt. Dreiundfünfzig, ein alter Indianer von Dreiundfünfzig, seit fünfunddreißig Jahren tot, jemand, für den jeder Tag ein zufälliger Tag war.
Zwangsläufig fand er die Droge, die ihm schon auf der anderen Seite der Welt das Vergessen erleichtert hatte. Sie gab ihm Frieden, Geborgenheit, Wärme. Anfangs spritzte er sich ein- oder zweimal in der Woche etwas unter die Zunge oder zwischen die Zehen, doch allmählich wurde der Wunsch nach Gelassenheit stärker, und er gewöhnte sich an, den Tag mit einer Nadel zu beginnen.
Der gutgekleidete Indianer, der ihn im Hotelzimmer besuchte, wußte alles. Er schien bekümmert, daß der Berühmte dem Heroin verfallen war, und er bedauerte, daß seinem Stamm damit einer ihrer wenigen Fürsprecher verlorenging. Denn die liberalen Anschauungen seiner Jugend hatten einem harten Moralismus Platz gemacht, in dem es weder für Arme noch für Drogen Verständnis gab. Und die Reservate waren voller armer Drogensüchtiger.
Er hatte sich überreden lassen, hatte sich benutzen lassen von dem Gutgekleideten und seinen Kollegen, sagte gegen den Pusher aus, der halb Hollywood belieferte, und dessen Hintermänner, die den halben Westen im Griff hatten.
Die Versprechen, die der junge Gutgekleidete für seine Behörde abgab, wurden nicht eingehalten, aber der Indianer hatte damit gerechnet. Anonymität, eine neue Identität und ein neues Leben wurden in Aussicht gestellt und nach der Verurteilung der Drogenbosse still fallengelassen.
Sie hatten im Laufe der Jahre mehrmals auf ihn geschossen, hatten einen Autounfall fingiert, aber sein Glück hielt. Irgendwann, dachte er, würde es ihnen zu viel, würden sie ihn vergessen. Oder erwischen.
Er war kurz verheiratet, hatte sich aber nirgendwo sicher gefühlt, also nahm sie die Wakanisha, die Kinder, und floh zurück in den Kreis der Großfamilie. Sein richtiger Name war halbvergessen, ersetzt durch die Häftlingsnummer und später durch den neuen, markterforschten Namen. Den hatte ihm die Plattenfirma verpaßt, hatte eine Fokusgruppe entscheiden lassen, was am treffendsten nach ihm und den Liedern klang, die niemand verstand. Ernest Running Deer. Er lachte wieder. So ein Scheißname. Hatte ihn wohlhabend gemacht, und er hatte sich dem Reichtum verkauft. Mit Haut und Haaren. Ernest Fucking Running Deer.
Zwanzig nach acht. Er schaute zum letzten Mal über die Böschung, und da sah er sie. Zwei Anzugträger, die zielstrebig am Kassenfenster vorbei zum Bühneneingang strebten.






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Literarische Texte und Texte zur Literatur


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Info:

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Peter J. Kraus wurde 1941 in Wolfenbüttel geboren und wuchs in Deutschland und nach der Auswanderung der Familie in Kalifornien auf. Er studierte Betriebswirtschaft und arbeitete zunächst im elterlichen Betrieb. Als die US Army sich für ihn zu interessieren begann, siedelte er nach Deutschland über. Seit seiner Rückkehr nach Kalifornien 1979 war er Kaufmann und Rennfahrer, ab 1980 arbeitete er als Rundfunkmoderator (Rock und Pop), ab 1985 auch für deutsche Sender. Gelegentlich veröffentlichte er Musikkritiken, auf vielfachen Wunsch 1996 »Rock Highway« im Ch. Links Verlag in Berlin, 1997 »Route 66«, 1988 »Blues Highway«. Heute lebt er in Hot Springs, Arkansas.
Sein Debüt-Krimi »Geier« erschien 2003 und wurde 2004 für den »Friedrich-Glauser-Preis -Krimipreis der Autoren« in der Sparte »Debüt« nominiert. Im Conte Verlag erschienen seine Romane »Joint Adventure« und »Cattolini erbt«.



Eva Gau arbeitet als freiberufliche Designerin seit 2006. Nach dem Diplom 2007 hat sie die unterschiedlichsten Kunden aus den verschiedensten Bereichen betreut. Ziel ihrer Arbeit ist es, ihre Leidenschaft für Grafik, Kunst und Sport in sinnvolle Projekte umzusetzen.
Sie bearbeitet kleine feine Projekte wie z.B. Buchtitel für freie Verlage genauso gerne, wie Corporate Jobs vom Logo bis zum kompletten Markenaufbau.
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