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Cover-DEUTSCHLAND IM ZUG-Montage

William Agudelo
Deutschland im Zug

Gedichte
Übersetzt von Lutz Kliche
Herausgegeben von Hermann Schulz und Lutz Kliche
Mit einer Umschlagzeichnung von Malte Roß
Die Besonderen Hefte
Heftbroschur mit Schutzumschlag
52 Seiten, 2018,
Fadenheftung, EUR 9,00
ISBN 978-3-943940-29-9
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Mit Humor, Sinnlichkeit und wachem Auge

In seinem schriftstellerischen Schaffen hat William Agudelo sich vor allem den Biografien von im Kampf gegen die Diktatur gefallenen jungen Freiheitskämpfern gewidmet.
Er hat ein Tagebuch, zwei Bücher über die Nicaraguanische Revolution und viele Gedichte in Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht.
In den Jahren von 1980 bis 1990 besuchte William Agudelo mehrfach Deutschland. Er kam als Sänger seiner eigenen Lieder, die er mit der Gitarre begleitete, und als Berichterstatter der neuen sandinistischen Regierung Nicaraguas. Der tvd-Verlag in Düsseldorf produzierte mit ihm insgesamt drei Schallplatten; mehrfach trat er bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen auf und gab Konzerte in Österreich und der Schweiz.Im Jahr 2014 besuchte er Deutschland erneut, um seine vielen Freunde überall im Land zu besuchen. Seine Impressionen hat er in Gedichten festgehalten, die nun als Publikation der Reihe Die besonderen Hefte in der Übersetzung seines Freundes Lutz Kliche vorliegen. Sie zeigen einen Autor, der mit Humor, Sinnlichkeit und wachem Auge ein Land besucht, das er früher mehrfach bereiste.



Leseprobe


Eins

In Deutschland wird die Sonne
in Bierkrüge gefüllt. Sanfte Sommersonne
die sehr früh am Morgen aufgeht
doch erst um zehn Uhr
abends untergeht und mich zwingt
mit Augenschutz zu schlafen.
Komplizenhafte Sonne, die mir
die Mädchen
in luftigen Kleidern zeigt
ohne BH’s und Leibchen,
mit Brustwarzen, die die frische Luft
steil aufragen lässt,
mit Absicht nachlässig gekleidet
die Göttlichen, die das Lockere,
Bequeme vorziehen,
auch wenn es ihnen gar nicht steht.



Zwei

Blind von Ulrikes Mähne:
Wie glatt, lang, rot, lebendig
sind ihre Haare,
umgeben ihr fast ebenso glattes
Gesicht (Apfelfleisch
umgeben von der Schale).
Launische und unbeständige Ulrike
mit dem blutrünstigen Haarschopf?
Wer kann das jetzt schon wissen,
wo ich es doch nie erfuhr?
Im Kerzenlicht dies glänzende Kupfer
einer Spule, und ihre Augen:
Fenster aus kristallisiertem Honig.



Drei

Hinter der vom Regen
trüben Windschutzscheibe, auf der
der Scheibenwischer hin und her geht
löst sie sich in ihrem nutzlosen Lauf
auf wie ein Zuckerhut, zerrinnt
in flüchtigem, bleichem Honig,
so als verschwände sie
gleich unwiederbringlich
zwischen den Gitterstäben des Gullis.



Vier

Ah! Die Bauernsalate
mit dem festlichen Rot
von Tomatenscheiben
auf ihrem gewellten Bett
aus Salatblättern, die Zwiebel
in großen, perlmuttfarbenen
Ringen angeordnet. Die Gurkenscheiben
glänzend wie Smaragde und das
feierliche Rot der roten Bete
neben den Büßerscheiben
der Karotten. So
leicht zu essen, diese Schüsseln
hinter ihrem Vorhang aus Essig
Öl und Salz,
die beschneit mit feuchtem Fetakäse
auf den Tisch kommen.
In dies perfekte Gleichgewicht zu kommen
ist ein Genuss, dem man sich hingibt,
wenn man die Pause mit dem
schäumendsten und erquickendsten Bier
des Tages hinter sich hat.
Eins von denen, die immer
mit eigenem Licht leuchten durch
das dicke, geschwungene Glas.



Fünf

Die Sonne spielt lebhaft
zwischen den Krügen voller Bier,
dessen dunkles Gold
(das eines reifen
Gerstenfelds)
mir zuzwinkert.
Von den Tischen an der Straße
lädt mich sein Licht
mit dem Gewicht von Honig
ins ruhige Innere des Lokals ein,
wo sich leise die Mädchen
unterhalten, über ihre Angelegenheiten reden, während
sie ihre rosafarbenen Fingerkuppen
über die weichen Formen
oder den glatten Rand des Glases
gleiten lassen
in dessen Innerem
dick und geheimnisvoll
durchzogen von winzigen
aufsteigenden Raketen
das Bier döst.



Sechs

Ich stehe immer am Fenster vor dem Abteil
– wenn ich von Wuppertal nach
Frankfurt fahre –, um den Felsen der Loreley
zu sehen und diese scharfe Biegung des Flusses davor
und mir die Schiffe vorzustellen,
wie sie an dem Felsen
zerschellen, auf dem das
blonde junge Mädchen
sich kämmt. Diejenige, die ich jetzt
auf meiner letzten Reise gespiegelt sehe
im Fensterglas, das Spiegel wird
vor dem Hintergrund des dunklen Felsens?
Perfekte, kalte Loreley.
Das schwere Haar fällt in Bächen
sanften Öls auf
ihre Schultern, liegt dort
wie ein Tier, das plötzlich
aufschrecken könnte.
Wie aus Eis dieses Gesicht
einer Serienvenus, mit dem Rahmen
der dünnen Zöpfe
die von ihren Schläfen ausgehen und,
hinten zusammengebunden,
ihr Gesicht freihalten vom Ansturm
der Haare. Ihre Augen, auf einen
Punkt hinter dem Felsen
gerichtet, mit dem Licht
und der Farbe von jungen Trauben.
Meine Loreley dieses Moments,
die mich lautlos ruft
durchs Fenster hindurch,
das mir die Kehle durchschneiden könnte
mit seinem scharfen Rand
unter dem, ewig und mit Riesenmacht,
die Wasser des Zuhälters, des Rheins,
ihre Bahn ziehen.



Sieben

Ich reise in einem deutschen Zug, wo
es nicht häufig vorkommt, dass sich
die Blicke treffen. Anspannung liegt in der Luft:
die Angst vor dem Anderen oder dem arroganten
Nachbarn, für den du nicht existierst.
Ein Mädchen beißt in einen Apfel
und das Krachen verleidet mir
den Eindruck, sie küsse
die Wange eines anderen Mädchens.
Meine Reise ist halb vorüber und zwei
alte Leute gegenüber, die bis jetzt
in ihre Lektüre vertieft gewesen sind, holen
aus praktischen Taschen
ihre Butterbrote hervor, fachmännisch
in Servietten verpackt.
Alter Käse und Schinken, geschnitten
in dünne Scheiben, und dunkles,
schweres Brot, das ihre Backenknochen
zu energischem Mahlen
zwingt (ein Aufeinanderreiben
der Kiefer) oder einem friedlichen
Wiederkäuen mit Backenzähnen aus Gummi.
Der Herbst hat kaum begonnen
doch sie drehen die Heizung schon
fast ganz auf. Die Jugendlichen
gegenüber schwitzen wie die Pferde
am Ende eines Rennens.
Manchmal freundlich, von dieser Art
sind die alten Leute, die die Kinder
schelten, weil sie nicht weiter
entfernt von ihren Fenstern spielen.



Acht

Es gibt Brücken im Berliner Zoo
für Andrea und die Hirschkuh. Ähnlich
mit ihren großen, auseinander stehenden Augen,
mit den samtig glänzenden Lefzen, wenn
rasch die Zunge drüber geht,
mit dem anmutigen Balancieren des Kopfes
auf dem langen, grazilen Hals,
mit dem harten Auftreten und mit der
Sicherheit, ohne hinzuschauen
leicht den Huf zu setzen.
Der kurze Schwanz wedelt nervös
über der Kruppe (es verweilt,
hingebungsvoll, der Blick, wo
Andrea denselben
weißen Schwanz besitzen sollte).
Nach der kurzen Parade
wenden sie den Kopf dir zu
während sie dir ungerührt
die Kruppe zeigen,
die wirkt wie frisch gebackenes Brot.



Neun

Der Zug hält in Telgte und sie
kommt in den Wagen, besprenkelt mit Silber,
Ocker, gelben, roten, goldenen Tönen.
Wie ein Fasan. Verschlossen und zart,
mit diesem Schein von Festigkeit, mit dem
uns das Gefieder
der Perlhühner täuscht.
Ihr ganzes Fleisch ist warmer Gelee
unter dem Fastgefieder.



Zehn

Bockwürste mit Bratkartoffeln
zu Hause bei Hermann: ein Fest
mit Würsten und goldfarbenen Kartoffeln
für unseren Schweinegaumen.
Wichtig der erste Angriff
(Bockwürste beginnen
mit dem ersten Biss), die Zähne in die Haut
zu senken, die schon zu platzen droht,
denn nach der kleinen Explosion des
Fetts, das den Gaumen überschwemmt, kommen
die leicht gekochten, leicht gebratenen Kartoffeln,
außen kross und innen
weich, so wie sie aus der
schwarzen Bratpfanne von Hermann kommen.
Zwischen den einen und den anderen,
Schlucke schäumenden Wicküler-Biers:
die Kehle hinab ihre unvergleichlich
bittre Frische.



Nachwort

William Mejía Agudelo

Als das erste Buch dieses Autors erschien, schrieb der Priester und Dichter Ernesto Cardenal im Vorwort: »Ich bin sicher, dass dieses Buch Nonnen und Atheisten, Beatniks und Seminaristen, Studenten, Literaturkritiker, junge Dichter und Theologen gleicherweise interessieren wird. Und es wird sie mehr und mehr fesseln, je weiter sie in der Lektüre fortschreiten.« Dieses ›Tagebuch‹ eines katholischen Seminaristen erschien in Deutsch 1972 unter dem Titel Unser Lager bei den Blumen auf dem Felde. Da lebte der Autor, geboren 1943 in Kolumbien, schon seit einigen Jahren in seiner Wahlheimat Nicaragua. Diese erste Probe seines schriftstellerischen Könnens, 1970 in Mexiko erschienen, bezauberte durch die ungewöhnliche Sprache, mit der er Erotik, körperliche Liebe und seinen Anspruch an Glaube und Theologie in Übereinstimmung zu bringen versuchte.

Sein Freund Ernesto Cardenal fand für ihn und mit ihm eine einfache Lösung aus seinen Problemen: Verzichte auf einen geistlichen Beruf – und heirate die Frau, die du liebst!

Agudelo reiste nach Nicaragua und lebte viele Jahre mit Frau und Kindern auf der Insel Solentiname im Großen See von Nicaragua, wo Cardenal eine christliche Kommune gegründet hatte. Der noch junge Agudelo widmete sich aber in diesen Jahren weniger der Literatur; er malte, er gestaltete Truhen mit historischen Motiven, er begleitete die Bäuerinnen und Bauern der Inseln bei ihrer (naiven) Malerei.

In den 70er Jahren folgte er einer Einladung nach Peru und gestaltete Plakate und riesige Wandtafeln im ganzen Land als Werbung für die Landreform der Regierung. Inzwischen zeichnete sich in Nicaragua ab, dass die Sandinistischen Guerillas die Diktatur der Familie Somoza vertreiben würden; in Deutschland und ganz Europa war eine breite Solidaritätsbewegung für die Revolution entstanden; Vertreter der Sandinisten war in den Jahren 1978/79 Enrique Schmidt Cuadra. Als er für die FSLN (Sandinistische Befreiungsfront) nach Costa Rica reiste, berief er William Agudelo als seinen Nachfolger in der Betreuung der Solidaritätsbewegung. Von 1979 bis zum Frühjahr 1980 lebte William mit seiner Familie in Wuppertal, bis ihn nach dem Sturz der Diktatur (am 19. Juli 1979) der neu ernannte Kulturminister Ernesto Cardenal in sein Ministerium und nach Nicaragua zurückrief.

In den Jahren von 1980 bis 1990 besuchte der mehrfach Deutschland. Er kam als Sänger seiner eigenen Lieder, die er mit der Gitarre begleitete, und als Berichterstatter der neuen sandinistischen Regierung Nicaraguas. Der tvd-Verlag in Düsseldorf produzierte mit ihm insgesamt drei Schallplatten; mehrfach trat er bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen auf und gab Konzerte in Österreich und der Schweiz.
Im Jahr 2014 besuchte er Deutschland erneut, um seine vielen Freunde überall im Land zu besuchen. Seine Impressionen hat er in Gedichten festgehalten, die nun als Publikation der Reihe Die besonderen Hefte in der Übersetzung seines Freundes Lutz Kliche vorliegen. Sie zeigen einen Autor, der mit Humor, Sinnlichkeit und wachem Auge ein Land besucht, das er früher mehrfach bereiste.

In seinem schriftstellerischen Schaffen hat William Agudelo sich vor allem den Biografien von im Kampf gegen die Diktatur gefallenen jungen Freiheitskämpfern gewidmet. Sein erstes Buch aber ist nach wie vor ein wichtiger, unverwechselbarer Titel auf dem lateinamerikanischen Buchmarkt; man könnte auch sagen, dass ein wegweisendes Buch mehr ist als viele Autoren lebenslang zustande bringen.

William Agudelo lebt heute mit seiner Familie in Managua.

Hermann Schulz        Lutz Kliche






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Info:
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  William Agudelo

wurde 1943 in Bolombolo, Antioquia, Kolumbien geboren. Der autodidaktische Musiker, Bildhauer und Dichter lebt seit 1966 in Nicaragua, wo er dem Dichter Ernesto Cardenal bei der Gründung der Gemeinde Solentiname half. In den 1980er Jahren arbeitete er als Direktor für Grafik im Kulturministerium von Nicaragua und in den 1990er Jahren war er Direktor eines dortigen Kulturzentrums. Er hat ein Tagebuch, zwei Bücher über die Nicaraguanische Revolution und viele Gedichte in Zeitschriften und Magazinen veröffentlicht. Er widmet sein Leben nun dem Schreiben von Poesie und Holzschnitzerei und Brandmalerei auf Leder.

Hermann Schulz, ehem. Verlagsleiter, lebt als Autor von Kinder- und Jugendbüchern in Wuppertal

Lutz Kliche verbrachte mehrere Jahre als Verleger und Über­­­setzer zahlreicher lateinamerikanischer Autoren in Nicaragua. Er lebt in Diedorf bei Augsburg


Malte Roß war in seinem Berufsleben ein begeisterter und begeisternder Pädagoge. Nun ist er, was er immer war: ein begeisterter und nicht nur uns begeisternder Maler und Zeichner.





























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